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Chancenlos gegen Berlin: Rugby Club Rottweil bleibt in Liga 2

Der Traum vom Aufstieg in Liga 1: ausgeträumt. Der Rugby Club Rottweil verlor am Samstagnachmittag die entscheidende Partie gegen den Berliner Rugby Club deutlich mit 56:19.

„Nächste Termine: 21.06. 15 Uhr – Qualifikation Bundesliga“. Viel trockener könnte man kaum formulieren, was tatsächlich Großartiges für die Rugby-Herren des RCR heute in Berlin angestanden hat: ein alles entscheidendes Match um den Aufstieg in die 1. Liga. Der Traditionsverein Berliner Rugby Club (BRC) stand als Gegner für die Rottweiler seit dem vergangenen Wochenende fest. Der BRC gehört zu einem der größten Rugby-Vereine in Deutschland. Seine erste Herrenmannschaft spielt derzeit in der 1. Bundesliga Nord/Ost. Aber auch die „Schwarz-Gelben“ mit ihrem Trainer Will Esau waren eigentlich auf Kurs: Sie haben als ungeschlagener Meister die Rundenspiele abgeschlossen, stehen nach zwölf Partien mit zehn Punkten Vorsprung auf Platz 1 vor dem RK Heusenstamm. Nun hätte die Mannschaft die Spitze des Rugby-Sports erreichen können. Dazu wurde nur noch ein Sieg gebraucht.

Es sollte nicht sein. Das Match endete klar 56:19 für den BRC, dessen Spieler vor allem den ersten Durchgang dominierten. In der Hitze von Berlin-Zehlendorf waren die Hauptstädter den Rottweilern sichtbar überlegen. Der RCR konnte seinen Gegnern erst in Durchgang zwei allmählich den Schneid abkaufen, fand in sein Spiel – aber zu spät. Eine rote Karte gegen Audrez Dassi versinnbildlichte die Unterlegenheit.

Tags zuvor sah es noch anders aus. Eine motivierte, fitte Mannschaft, eine gutgelaunt-zuversichtliche Vereinsführung starteten in Rottweil, um die Mutter aller Spiele zu erleben und erfolgreich zu gestalten. Denn ein Sieg hätte den Verein in die 1. Bundesliga führen. Alles oder nichts, lautete das Motto.

Aufs und Abs

Es ist das 55. Jahr des Rottweiler Rugby-Clubs, in dem der bislang größte Triumph hätte gelingen können. Die etwas Älteren in der Kleinstadt am Neckar – ansonsten etwa für ihren erfolgreichen Boxstall bekannt – erinnern sich: Alles begann 1969 mit der Gründung einer Rugby-AG am Leibniz-Gymnasium in Rottweil durch den ehemaligen Rugby-Nationalspieler Günter Thiel. Mit großer Konsequenz und vielen engagierten Mitstreitern im Schlepptau etablierte Thiel den Sport in Rottweil. 1971/72 wurde der RCR auf Anhieb Meister der Regionalliga Süd. Die folgenden Jahre glichen Aufs und Abs, einer Orientierungs- und Festigungsphase mit selten längeren Verweilzeiten in der Bundesliga.

Dann eine sportliche Krise – und der Wiederaufbau unter der Leitung von Karl-Heinz Bahr und Gunther Wilde fast von null. Mit einer Schülermannschaft, mit Nachwuchsarbeit, mit inzwischen mehreren noch verpassten Chancen zum Aufstieg in die 1. Liga. Jetzt hätte es endlich so weit sein können: In der Saison 2024/25 gelang es den „Schwarz-Gelben“ schließlich, als ungeschlagener Tabellenführer zu überwintern. Mit Trainer Will Esau als Motivator an der Spitze verfolgte die Mannschaft erneut konsequent den Traum von der Rückkehr in die höchste deutsche Rugby-Spielklasse. Und: Nachdem sie dem schwächelnden Fußballverein 08 Rottweil den Rücken gekehrt und die Sportart gewechselt hat, ist Anja Faras als Mentalcoach für den RCR tätig. Jüngst gab’s ein Meeting statt einer Trainingseinheit. Darin rief Faras die Spieler laut Verein dazu auf, „die mentalen und emotionalen Fähigkeiten des Einzelnen, aber vor allem des gesamten Teams zu stärken um das beschriebene Ziel noch besser zu erreichen und das volle Potenzial auszuschöpfen.“

„Alles getan, was wir können“

Und so waren sie fit für das Saison- und Gesamtziel Aufstieg. Am Freitagmorgen fand die Abfahrt statt, mit vier Kleinbussen machte sich die Mannschaft auf den Weg nach Berlin. Hoch motivierte Jungs. In einer Jugendherberge haben sie die – vielleicht ruhige, vielleicht durchwachte – Nacht verbracht. Und am heutigen Samstag ab 15 bis etwa 17 Uhr ging’s um die Bundesligawurst.

„Wir haben alles getan, was wir können, mehr kann man nicht tun.“ So fasste Daniel Kästner gegenüber der NRWZ den Stand vor dem Spiel zusammen. Der zweite RCR-Vorsitzende hatte ein Leuchten in den Augen, verkörperte Zielstrebigkeit, Siegeswillen. Und als ein ganz starkes, motivierendes Signal wurde gewertet, dass Gustavo Lopez, fünf Jahre lang Trainer der RCR-Herren bis 2022, persönlich dabei war, mit nach Berlin fuhr, während des Spiels an der Seitenlinie stand. Er verzichtete dem Vernehmen nach auf einen gemeinsamen Urlaub mit seiner Frau, wollte auch als aktueller Co-Trainer dabei sein, wenn die Cracks es schaffen sollten, was unter seiner Führung jeweils nicht gelingen wollte. Und was weiter auf Verwirklichung wartet.

„Die ‚Schwarz-Gelben‘ gehen durchaus selbstbewusst in dieses herausfordernde Entscheidungsspiel und fühlen sich nicht als Außenseiter“, hieß es im Vorfeld von Vereinsseite. Die Moral der Truppe sei gut – was bei der Abreise, bei der auch einige Plastiktüten aus einem Spender für Hundebesitzer eingepackt wurden, mehr als deutlich wurde. Der eine oder andere machte sich mit Schrammen im Gesicht, die vom jüngsten Training stammen, auf den Weg. Aber allesamt hatten diese Aura des Siegeswillens um sich, verströmten Kampfbereitschaft, erklärten ganz ohne Worte, dass sie es schaffen können. Vor allem etwa Trainer Esau. Bei ihm drang auch kindliche Vorfreude durch. Unvorstellbar, was er erlebt hätte, wenn es seine Jungs heute wirklich gepackt hätten. Wir werden es nicht erfahren.

„Spiel in die Hand bekommen und dann gestalten“

Jedenfalls: Die Spielabläufe waren optimiert, an Motivation mangelte es bei den RCR’lern, so der Verein, nicht. Sie betrachteten dieses Spiel heute in Berlin vorab als große Herausforderung, aber jeder wusste, „dass die Rottweiler auf einen offensiv wie defensiv überaus dominanten Gegner treffen“. Diese Berliner seien körperlich und technisch sehr athletisch und robust, würden mit einem äußerst starken Sturm und sehr schnell kombinierender Drei-Viertel-Reihe auftreten. Die Spieler des RCR wollten derweil dynamische, schnelle Ballwechsel mit gut abgestimmtem Zusammenspiel zwischen Sturm und Drei-Viertel-Reihe entgegensetzen. „Das Spiel selbst in die Hand zu nehmen ist der große Auftrag, sowohl offensiv wie auch defensiv. Wenn die Rottweiler im offenen Spiel kompakt stehen, wird die Abstimmung in den Standardsituationen (Gassen und Rucks) spielentscheidend zum Tragen kommen“, so der Vorbericht.

Oder, wie es der zweite Vorsitzende Kästner formuliert: „Dieses Spiel soll der krönende Abschluss dieser sehr erfolgreichen Saison werden. Für unsere Jungs ist es wichtig, dass sie das Spiel von Anfang an in die Hand bekommen und es dann gestalten. Wir freuen uns alle auf das Spiel und wissen um unsere Chance. Wenn wir im System bleiben, unsere Chancen nutzen und den erfahrenen Erstliga-Spielern Paroli bieten, haben wir gute Aussichten auf den Auswärtserfolg, den sich eine größere Gruppe von uns immer sehr stark unterstützenden mitreisenden Fans und Anhängern nicht entgehen lassen will. Unser Team muss sich die guten Leistungen in Erinnerung rufen. Daran wollen sie anknüpfen.“

Alles oder nichts

Die Berliner, Gegner des RCR, fassten den heutigen Spieltag so zusammen:

Mit dem Start der neuen eingleisigen Bundesliga in der kommenden Saison trifft der BRC im Alles-oder-nichts-Spiel auf den RC Rottweil. Der Sieger spielt nächste Saison in der neuen eingleisigen Liga, der Verlierer muss den Gang in die 2. Bundesliga antreten.

Und so bleibt der RCR weiterhin in Liga 2.

Info: Mehr über den RC Rottweil im Web, auf Facebook und Instagram.




Peter Arnegger (gg)

… ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

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